„Es ist der Weg, der dich schlussendlich immer näher an dein Ziel bringt.“ Sabinna Rachimova, Modedesignerin

Sabinna, herzlichen Dank, dass du unsere Einladung angenommen hast. Unsere erste Kontaktaufnahme fand völlig unkompliziert via Instagram @sabinna_rachimova statt. Etwas aussergewöhnlich, nicht? Oder entspricht es einfach dem Zeitgeist?
Ich muss tatsächlich zugeben, dass ich immer öfters Presse Anfragen über Instagram bekomme. Oft geht es viel schneller als per E-mail, ist persönlicher und auch unkomplizierter. Natürlich vermischt sich so das Berufsleben noch mehr mit dem Privatem, was jedoch bei der Selbstständigkeit oft mit einhergeht.

Du hast uns spontan das „Du“ angeboten, was das Gespräch besonders angenehm macht. Was sagt das über deine Persönlichkeit und deinen Umgang mit Menschen aus?
In London und bzw. im Englischen machen wir keinen Unterschied zwischen “Du” und “Sie”, sondern verwenden einheitlich das “you”. Ich finde das sehr angenehm und übernehme es auch daher immer gerne im Deutschen. Es erleichtert eine offene Kommunikation, man fühlt sich gleich verbundener und es bringt Menschen näher zueinander.

In der Vorbereitung auf dieses Interview sagtest du: «Es ist immer schwer zu sagen, wann ich wieder in Wien bin.» Stimmt unsere Annahme, dass du derzeit meistens in London unterwegs bist?
Das ist richtig. Mein Lebensmittelpunkt ist London. Ich bin damals für mein Studium hier her gezogen und habe mich gleich heimisch gefühlt. Heute führe ich mein Unternehmen von hier aus und unterrichte auch an der University of the Arts London. Dennoch bin ich sehr oft in Wien, mit der Stadt fühle ich mich tief verwurzelt, beruflich als auch privat. 

Wolltest du schon immer Mode-Designerin werden?
Ich wollte nicht unbedingt Mode-Designerin werden, sondern habe in dem Handwerk meine Leidenschaft entdeckt. Meine Großmutter hat mir gezeigt wie man strickt und häkelt. Ich war damals noch sehr klein und wahnsinnig fasziniert von der Detailarbeit. Wie kann sich ein flacher und zwei-dimensionaler Strickgarn in die schönsten Blumen, die bequemsten Pullover und die ausgefallensten Taschen verwandeln? Das war mein erster Berührungspunkt mit Mode. Nur habe ich es damals nicht Mode genannt und wusste auch nicht, dass man das beruflich machen kann. Diese Erkenntnis kam dann später im Laufe meiner Schulzeit und ich wusste schon relativ früh, dass ich eines Tages mein eigenes Modebusiness aufbauen möchte. 

Alles hat für dich in Wien begonnen. Jedoch lebst du nun seit Jahren in London. Die britische Hauptstadt war für dich offenbar der nächste logische Schritt. Waren Österreich und Wien zu eng für deine kreativen Ambitionen?
Absolut nicht! Dass ich in London gelandet bin war zwar geplant, aber auch ein reiner Zufall. Meine Vision war es mit Mitte/ Ende Zwanzig ins Ausland zu gehen um Berufserfahrungen zu sammeln. Die Geschichte ist recht simpel: Ich habe mich an der Universität für Angewandte Kunst in Wien beworben und wurde nicht angenommen, woraufhin ich mir einen Job in der Modeindustrie gesucht habe und bei den fantastischen Frauen Anita und Gudrun gelandet bin, die Masterminds hinter dem österreichischen Label Schella Kann. Sie haben mich dazu ermutigt und motiviert meine Bewerbung an der Central Saint Martins einzureichen. Als ich dann tatsächlich angenommen wurde, war ich zum einen extrem überrascht und zugleich starr vor Freude. So fing mein London Kapitel an. 

In der englischen Metropole gilt das Central St. Martins College als prestigeträchtigste Modeschule der Welt. Dort haben grosse Namen der Modeindustrie wie Stella McCartney, John Galliano, Alexander McQueen, Ricardo Tisci oder Christopher Kane ihre Ausbildung absolviert. Dich hält nichts auf…?
Die Central Saint Martins kennt tatsächlich jeder und es ist ein wirklich magischer Ort. Meine Eltern haben mir immer gesagt, dass es nichts gibt was ich nicht schaffen könnte, solange man hart dafür arbeitet, jede Chance nutzt und dran bleibt. Genau diese Einstellung fand ich immer sehr hilfreich und diese begleitet mich mein Leben lang, bis heute. 

Bild: sabinna.com

Nach deinem Abschluss 2014 hast du unter anderem bei Dior gearbeitet. Und plötzlich kommt der Tag, wo du von beruflicher Selbständigkeit zu träumen beginnst? Kannst du uns den Moment beschreiben, in dem du beschlossen hast, dein eigenes Label zu gründen?
Von der beruflichen Selbstständigkeit träume ich seit meiner frühen Kindheit. Ich wusste aber immer, dass ich vorher so viele Berufserfahrungen wie möglich sammeln sollte. Es ist der Weg, der dich schlussendlich immer näher an dein Ziel bringt. Die Erfahrung, die ich in jedem meiner Jobs vor meiner Selbstständigkeit hatte – und es waren wirklich viele – helfen mir bis heute in meinem Berufsalltag als Unternehmerin und Designerin. 

Einen spannenden Satz gibt es von dir zur Selbständigkeit: «In Österreich wird das Thema eher von einer Grundskepsis beherrscht. Der Umgang mit der beruflichen Selbständigkeit ist in Grossbritannien ein ganz anderer. Hier sagen alle ‹wow›.» Sieht nicht sowieso alles grüner, offener und spannender aus im Ausland, als es daheim zu sein scheint?
Auf keinen Fall, da muss ich widersprechen. Jeder Ort und jede Stadt bringt seine Vor- und Nachteile mit sich. Ich hatte immer das Gefühl, dass die Kreativszene in London einen ganz anderen Tenor hat als in anderen Städten. Hier finden sich viele Kreative, darunter Künstler, Schauspieler, Musiker und Designer: Die Grundstimmung ist enorm positiv und unterstützend gegenüber der Selbstständigkeit. 

Du eröffnest dein Studio 2015 im Londoner Brick Lane. Nach wie vor gehörst du zu keinem Modekonzern, und es ist mittlerweile bereits deine achte Saison in Folge. Die meisten jungen Labels verschwinden aber meistens nach zwei Jahren. Wie hast du es geschafft, dich zu halten?
Ich glaube meine Zielstrebigkeit und Neugierde haben mir immer in diesem Beruf weitergeholfen. Ich bin nie müde geworden zu lernen und auszuprobieren, finde meinen Job wahnsinnig spannend und freue mich jeden Tag darauf neue Dinge zu lernen, und mich beruflich wie auch persönlich weiter zu entwickeln. Es ist ein hart erarbeitetes Privileg seinem Traumjob nachgehen zu können.   

Im Zusammenhang mit dem Thema Selbständigkeit spricht man gerne von soften Faktoren wie Leidenschaft und Kreativität, als wären alleine sie Garanten für den Erfolg. Dabei wird übersehen, dass Investitionskraft, Netzwerk und Strategie mindestens so wichtig sind.
Es gehören wahrhaftig wahnsinnig viele Faktoren dazu. Für mich ist es ein Zusammenspiel aus den oben erwähnten Punkten, gepaart mit intrinsischer Motivation und Mut. Bereits existierende Erfolgsstories zu kopieren, funktioniert genau deswegen auch nicht. Das Unternehmen ist nicht nur das Produkt oder die Dienstleistung, sondern auch die Person, die sich dahinter verbirgt. Dabei ist erfolgreich bleiben oft noch schwieriger als erfolgreich werden. Ich finde, man muss sich konstant weiterentwickeln, immer auf dem neuesten Stand bleiben und vor allem bodenständig, offen und freundlich sein.

Wie gehst du mit dem Druck, dem Risiko und der Unsicherheit um, die mit einer selbständigen Tätigkeit oft verbunden sind?
Um ehrlich zu sein, fällt es mir manchmal sehr leicht, aber manchmal auch schwer. Es gibt Momente, da weiß ich selber nicht, ob ich das Richtige tue. Aber auch das gehört dazu: Sich selbst zu hinterfragen, um zu neuen Lösungsansätzen zu gelangen. Für mich ist es dabei wichtig, auch mal abzuschalten um Gedanken zu sortieren, und seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. 

Bild: sabinna.com

Lass uns noch über deinen Stil reden. Du bevorzugst eine tragbare Mode basierend auf Strickstücke. Kannst du uns erklären? 
Ich wollte immer Mode machen, die von Frauen getragen wird. Ich habe drei Schwestern und bin in einem Haushalt mit sehr viel Women-Empowerment aufgewachsen. Die Frauen in meiner Familie tragen gerne praktische aber zugleich elegante Kleidung. Das hat mich bestimmt beeinflusst. Bei SABINNA legen wir viel Wert auf Qualität und Ästhetik. Die Kleidung soll ein langjähriger Wegbegleiter sein und nicht nur für den Alltag sondern auch für spezielle Anlässe geeignet sein. Geprägt durch meine Großmutter hatte ich immer ein Faible für Strick. Alles miteinander kombiniert, mit meiner nachhaltigen Vision von Fashion gesalzen habe ich so den Stil für SABINNA entwickelt.

Inwiefern beeinflussten deine russischen Wurzeln deine Inspiration und dein Konzept?
Viele meiner Erinnerungen haben etwas mit der russischen Kultur zutun, zudem bin ich ein großer Fan der russischen Literatur, des Balletts und der Poesie. Jedoch muss ich sagen, dass meine Inspirationen eher unterbewusst kommen. Mit meinem sechsten Lebensjahr bin ich nach Wien gezogen, davor habe ich in Russland und Spanien gelebt, später dann in Paris und London. Die Vielfalt und die Mischung aller Eindrücke und Kulturen hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Jeder einzelne Lebensabschnitt hat mich geprägt, Erinnerungen geschaffen und sich in meinem Herz verankert, was sich auch in meinem Design für SABINNA widerspiegelt.

Dein Label «Sabinna» ist inzwischen im Vereinigten Königreich, in Österreich und in Deutschland. Gibt es Expansionspläne. z. B. in die Schweiz?
Wir haben einige Kunden in der Schweiz, die gerne über unseren Online Shop einkaufen. Dieses Jahr planen wir eine Reihe an Pop-up Stores unter anderem in Mailand, Berlin und London. Die direct-to-consumer Strategie funktioniert sehr gut für uns und mit dem Online Shop und Pop-up Stores als Vertriebskanäle, versuchen wir immer mehr Frauen für unser Produkt und unseren Lifestyle zu begeistern. Zukunftspläne gibt es jede Menge und wir arbeiten jeden Tag daran um diese umzusetzen. 

Über Sabinna Rachimova – Die Gründerin
Die Designerin Sabinna Rachimova arbeite nach Abschluss an dem Central Saint Martins College für Kunst und Design in London, u.a. für das führende Pariser Modehaus Christian Dior und die Londoner Marke Mary Katrantzou, bevor Sie ihr gleichnamiges Label gründete. Im Mai 2017 gewann SABINNA die Fashion Futures Awards von Decoded Fashion und dem British Fashion Council und präsentiert seit der Gründung die saisonale Kollektion auf der London Fashion Week. Als öffentliche Rednerin für TECH-Themen als auch nachhaltige Mode, hat Sabinna Rachimova kürzlich mit einem EU finanzierten Projekt der Innovationsagentur BRIA UK zusammengearbeitet, um Altkleidungsstücke in 100% recycelbare und biologisch-abbaubare Materialien umzuwandeln. Neben der Expansion ihres eigenen Unternehmens ist Sabinna Rachimova als Modedesignberaterin für internationale Marken wie Sandqvist oder Sony und als Dozentin an der University of Arts London tätig.

Über SABINNA – Das Modelabel
Das nachhaltige Brand SABINNA ist eine faire Mode- und Lifestylemarke für Frauen mit Hauptssitz und Strickatelier in London und Wien. Bekannt für unverkennbare Handarbeit, Silhouetten und kräftige Farbpalette wurde das Brand von der in Russland geborenen und in Österreich aufgewachsenen Designerin Sabinna Rachimova gegründet. Insbesondere zeichnet sich SABINNA durch innovative Verkaufsstrategien und dem direkten Kontakt mit den Kunden aus, sowie für ihren nachhaltigen Umgang mit Mode.

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